LEXIKON

Ertragswertverfahren

Neben solchen Personen, die eine Immobilie selbst nutzen möchten, gibt es auch noch Kapitalanleger oder Investoren, die durch die Vermietung Gewinne erzielen möchten. Neben reinen Objekten zur Kapitalanlage gibt es darüber hinaus Anleger, die beispielsweise ein Mietshaus erwerben, eine oder mehrere Einheiten selbst nutzen und den Rest zur Tilgung des Immobilienkredites oder zur Erzielung von Einnahmen weitervermieten. Anders als bei reinen Eigennutzern sind für diese Käuferschicht also vor allem die zukünftigen Erträge für die Kaufentscheidung von Bedeutung. Zur Wertermittlung wird daher oft das Ertragswertverfahren angewendet. Charakteristisch für das Ertragswertverfahren ist die rechnerische Darstellung der Erträge, die zukünftig mit der Immobilie erwirtschaftet werden können. Diese können beispielsweise auf einen bestimmten Zeitraum beschränkt werden und auch ein späterer Wiederverkauf kann in Betracht gezogen werden, sodass das Ertragswertverfahren zu unterschiedlichen Ergebnissen führt.

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Genutzt wird das Ertragswertverfahren nicht nur für die Bewertung von Grundstücken und Immobilien, sondern auch in betriebswirtschaftlichen Zusammenhängen. Plant etwa ein Unternehmen die Übernahme eines anderen oder verkauft ein Inhaber vor seinem Ruhestand an einen langjährigen Angestellten, so wird zur Wertermittlung häufig ebenfalls das Ertragswertverfahren angewendet. Im Hinblick auf die Anwendung des Ertragswertverfahrens für die Wertermittlung von Immobilien und Grundstücken wird also schnell deutlich, dass dieses vornehmlich für Objekte genutzt wird, mit denen der spätere Eigentümer eine Gewinnerzielungsabsicht verfolgt. Neben Mietshäusern kommen auch Geschäftsgrundstücke, Spezialgrundstücke oder Grundstücke und Immobilien mit gemischter Nutzung in Frage.

Wann ist das Ertragswertverfahrens nicht zu empfehlen?

Nicht empfehlenswert ist die Anwendung des Ertragswertverfahrens bei Grundstücken und Immobilien die auf die Bedürfnisse eines bestimmten Nutzers zugeschnitten sind. Ein Beispiel dafür ist etwa ein Grundstück samt Produktionsanlage, das ein Kapitalanleger errichtet hat und von einem spezialisierten Unternehmen angemietet wurde. Eine zuverlässige Quantifizierung zukünftiger Erträge ist in diesem Fall nur unter Umständen möglich, da zahlreiche weitere Belange berücksichtigt werden müssten. In der Praxis kommen darüber hinaus verschieden ausgestaltete Ertragswertverfahren zum Einsatz, die sich beispielsweise je nach Land unterscheiden.

Das Ertragswertverfahren in der Bundesrepublik Deutschland – Wertermittlung nach der Wertermittlungsverordnung (WertV)

Die Bewertung von Grundstücken und Immobilien ist in Deutschland in der Wertermittlungsverordnung (WertV) geregelt. Darüber hinaus liefert die Wertermittlungsrichtlinie (WertR) weitere wichtige Rahmenbedingungen, die für die Wertermittlung von Grundstücken wichtig sind. Das Ertragswertverfahren ist in der WertV in den §§ 17 ff. geregelt. Eine Besonderheit dieses Verfahrens ist die strikte Trennung von Grund und Boden und der Bebauung. Außerdem werden zwei Ertragsansätze unterschieden:

  1. Dauerhafte Erträge: Beispielsweise durch im Grundbuch eingetragene Dienstbarkeiten oder auch der angenommene Werterhalt eines Grundstückes im Falle eines Wiederverkaufs.
  2. Endliche Erträge: Bei Immobilien, die vermietet oder verpachtet werden sollen, spielt bei der Ermittlung des Ertragswertes die Restnutzungsdauer eine wichtige Rolle. Bei Neubauten oder sanierten Objekten wird diese meist auf 40 oder mehr Jahre beziffert.

Das genaue Vorgehen nach dem Ertragswertverfahren

Auf Grund der vorgesehenen strikten Trennung wird zunächst der Wert des Grundstückes mittels Vergleichswertverfahren ermittelt. Worauf es dabei genau ankommt ist im Artikel „Wertermittlung mit dem Vergleichswertverfahren“ genauestens erklärt. Ist schließlich der Wert des Grundstückes mehr oder weniger exakt ermittelt, so folgt eine Analyse der Anlagen und/oder Gebäude. Es wird festgestellt, wie groß die zu vermietenden Flächen sind, wie diese ausgestattet sind, wie groß die Nachfrage ist und wie etwa das Umfeld zu bewerten ist. Basierend darauf können Immobilienmakler oder erfahrene Anleger näherungsweise die potentiell erzielbare Miete ermitteln und abgleichen, ob diese Werte bereits erreicht werden. Auf das Jahr gerechnet ergibt sich so der Rohertrag von Grundstück und Gebäude, der den weiteren Berechnungen zu Grunde gelegt wird.

Vom Rohertrag abzuziehen sind die mit dem Objekt verbundenen Bewirtschaftungskosten. Dazu gehören beispielsweise folgende Dinge:

  • Betriebs- und Verwaltungskosten die nicht auf die Mieter oder Pächter umgelegt werden dürfen
  • Kosten für Instandhaltung und Schönheitsreparaturen
  • Möglicherweise zukünftig anfallende Straßenausbaubeiträge, wenn etwa die Gemeinde eine Sanierung oder den Ausbau der Straße geplant hat oder derartige Arbeiten wahrscheinlich sind
  • Rückstellungen für Mietausfälle, beispielsweise wenn ein Mieter insolvent ist oder sich schlicht weigert die vereinbarte Miete zu zahlen

Wurden diese Kostenbestandteile vom Rohertrag abgezogen, so ergibt sich der Reinertrag. Der Bodenwert wurde dabei noch nicht berücksichtigt, sodass einem Kapitalanleger nun der Cash-Flow bekannt ist, der ihm durch das reine Objekt zur Verfügung steht. Der Bodenwert ist schließlich noch mit dem Liegenschaftszinssatz zu multiplizieren. Dieser wird vom Gutachterausschuss für Grundstückswerte empirisch ermittelt und ist von der Lage des Grundstückes, der Nutzung und weiteren Besonderheiten abhängig. Den jeweils ermittelten Zinssatz sollten Anleger jedoch kritisch überprüfen und gegebenenfalls an ihre individuelle Situation anpassen.

Die Ermittlung der Restnutzungsdauer

Wie zuvor erwähnt ist bei der Anwendung des Ertragswertverfahrens die Restnutzungsdauer der Gebäude und Anlagen von zentraler Bedeutung. Die Restnutzungsdauer ist von Objekt zu Objekt verschieden und ebenfalls von zahlreichen Faktoren beeinflusst. Zwar finden sich in der Literatur gängige Empfehlungen, eine kritische Prüfung ist jedoch ratsam. Eine mögliche Vorgehensweise zur Ermittlung der Restnutzungsdauer ist die Festlegung einer Gesamtnutzungsdauer, von der das Alter der Immobilie subtrahiert wird, woraus sich dann die Restnutzungsdauer ergibt.

Die so ermittelte Zeitspanne ist jedoch keinesfalls starr, so können beispielsweise Sanierungen oder grundsätzliche Instandhaltungsarbeiten die Restnutzungsdauer deutlich verlängern. Die Festlegung auf einen bestimmten Zeitraum dient lediglich der Prüfung ob der Vorteilhaftigkeit einer Investition. Für Investoren und/oder Unternehmen sind die ermittelten Erträge insofern von Belang, da sie finanzmathematisch als konstante Zahlung über einen planbaren Zeitraum gelten. Sie können also rechnerisch kapitalisiert werden und können wiederum eine wichtige Rolle bei der Bestimmung des Unternehmenswertes spielen.

Aus der Summe des Werts der Anlagen und Gebäude und des Grundstückes ergibt sich schließlich der Ertragswert des Objektes. Da die Ermittlung aufwändig ist und Fachkenntnis erfordert, sieht die WertV auch ein vereinfachtes Ertragswertverfahren vor, in dem der Wert des Bodens und dessen Verzinsung keine Rolle spielen. Eine derartige Vorgehensweise ist auch in anderen Ländern, wie etwa Großbritannien oder den USA geläufig.

Typische Fallstricke beim Ertragswertverfahren

Auf Grund des hohen Aufwandes für eine genaue Berechnung des Ertragswertes neigen Kaufinteressenten, die zur genauen Berechnung nicht zwingend verpflichtet sind dazu, vereinfachte Berechnungen vorzunehmen. So wird beispielsweise häufig der Rohertrag mit der Restnutzungsdauer multipliziert und das Ergebnis als Entscheidungsgrundlage verwendet. Dabei werden jedoch zahlreiche Unwägbarkeiten nicht berücksichtigt, sodass der Erkenntnisgewinn eher gering ist und eine Investition mit einem größeren Risiko behaftet ist. Grundsätzlich gilt, dass eine Wertermittlung mittels Ertragswertverfahren nur verlässlich durchgeführt werden kann, wenn der Prüfende über entsprechende Fachkenntnisse verfügt.